Bleibt die Konsolidierungswelle bei Projektentwicklern aus?

Ein Beitrag von Dr. Henrik Medla, Geschäftsführender Gesellschafter der Sontowski & Partner Group

Für viele Marktakteure sind unmittelbar bevorstehende Konsolidierungen bei Projektentwicklern und Grundstückseigentümern ausgemachte Sache. Die Gemengelage aus gestiegenem Zinsniveau, aus heutiger Sicht zu teuer angekauften Grundstücken, dünnem Liquiditätspolster vieler Marktteilnehmer und hohem Investitionsbedarf mit Blick auf Megatrends wie ESG machen in der Theorie eine Konsolidierungswelle wahrscheinlich. Doch bislang haben sich diese Prognosen noch nicht bestätigt: Weder haben Firesales – also Notverkäufe von Projekten oder Krediten bei Projektenwicklern und Banken – spürbar zugenommen, noch sind Übernahmen an der Tagesordnung.

Dabei ist das Thema an sich überaus relevant. Schließlich wird in dem Szenario einer deutlichen Abwertung von Grundstücken samt Konsolidierung der Branche mitunter ein Schlüssel für wirtschaftlich darstellbare Wohn- und Gewerbeentwicklungen gesehen.
Das Argument: Damit bezahlbares Wohnen und ESG-konforme Entwicklungen auch in dem neuen Marktumfeld realisiert werden können, müssen die Grundstückskaufpreise erstmal sinken. Auf dem preislichen Niveau der Zeit vor der Zinswende seien viele Projekte sonst nicht wirtschaftlich darstellbar. Das mag so sein. Doch dass es zu einer neuen Preisbildung deutlich unterhalb der letzten Marktwerte und im Zuge dessen zu einer Konsolidierungswelle kommt, erscheint mir aufgrund mehrerer Faktoren unwahrscheinlich.

Hohe Kaufpreisfaktoren als Hemmschuh

Den vielleicht bedeutendsten Hemmschuh bilden die stark spekulationsgetriebenen Kaufpreisfaktoren aus der Zeit vor der Zinswende. Grundstücke wurden – insbesondere in A-Städten – oft mehrmals hintereinander in strukturierten Bieterverfahren zu immer höheren Preisen von einem Entwickler zum anderen weitergereicht. Dabei wurden selten wertschöpfende Maßnahmen ergriffen. Das war jedoch kein Problem, weil die Faktoren an institutionelle Investoren weitergereicht werden konnten. Zur Immobilie gab es in der Niedrigzinsphase kaum eine gute Alternative. Die Mieten haben zwar nicht im gleichen Maße mitgezogen, aber Inflation war ja auch kein Thema.
Heute hindern Zinsunsicherheit in Kombination mit der neuen Attraktivität von Fixed-Income-Produkten Anleger daran, selbst für moderne Neubauprojekte in sehr guter Lage deutlich mehr als den Faktor 25 zu zahlen. Dies gilt für A- und B-Städte gleichermaßen. Die Lücke zwischen erzielbaren Faktoren vor und nach der Zinswende ist dabei besonders in A-Städten groß. Hier wurde nicht selten das 30-Fache für Gewerbe bzw. noch deutlich mehr für Wohnen aufgerufen. Diese Differenz kann nur durch einen Buchwertabschlag auf den Grundstückwert oder einen starken Mietpreisanstieg kompensiert werden.

Bislang sehen wir jedoch nur in Einzelfällen signifikant geringere Grundstückspreise. Die Bereitschaft von Entwicklern auf breiter Front mit Abschlägen zu verkaufen ist gering. Ein Beispiel macht deutlich, warum dies so ist: Selbst in B-Städten wurden in Sekundärlagen während des Peaks immerhin 2.500 Euro je Quadratmeter Wohnfläche und mehr gezahlt. Finanzierungen durch Banken über 80 Prozent und zusätzliches Mezzanine-Kapital waren nicht selten. Selbst wenn ein aktuell unter Druck stehender Entwickler bereit wäre, sein Eigenkapital beim Verkauf komplett abzuschreiben, reicht das aufgrund der weiterhin zu hohen Preise nicht aus, um neue Bauprojekte zu starten. Die weitere Entwicklung wird also stark vom Verhalten der Banken und alternativer Finanzierer abhängig. Diese werden jedoch kaum ein Interesse daran haben, Finanzierungen abzuschreiben. In der Vergangenheit war das Abwarten ein bevorzugtes Mittel der Wahl.

Gesunde Entwickler konzentrieren sich auf eigene Pipeline

Zur schwierigen betriebswirtschaftlichen Ausgangssituation gesellt sich zusätzlich Skepsis bei potenziellen Käufern. Wer kommt hier in Frage? Neben Private-Equity-Investoren, die ebenfalls den Einschränkungen der Zinslandschaft unterliegen und noch dazu sehr hohe Gewinnerzielungsansprüche haben, vor allem andere, gesunde Projektentwickler. Doch diese konzentrieren sich lieber auf ihre eigene Pipeline unbebauter Grundstücke, anstatt Marktbegleiter zu übernehmen. Wer die Preisrallye nicht ohne Vorbehalt mitgemacht und Baurechte für Projekte auf eigener Bilanz vorangetrieben hat, findet sich grundsätzlich in einer wirtschaftlich besseren Ausgangslage. Dennoch gilt auch hier: viele kurz vor der Fertigstellung stehende Neubauobjekte lassen sich aktuell nicht zu attraktiven Faktoren verkaufen. Daher entscheidet sich ein Großteil dafür erstmal abzuwarten, die Projekte fertigzustellen, erste Mietsteigerungen durch Indexierungen zu realisieren und erst dann zu veräußern.

Durch die Fokussierung auf eigene Grundstücke, immer höhere Eigenkapitaltranchen für Neubaufinanzierungen sowie die Entscheidung, Objekte länger im Bestand zu halten, halten sich selbst bonitätsstarke Entwickler mit Unternehmensübernahmen und opportunistischen Grundstücksdeals zurück. Die Option weitere Eigenkaptal- oder Mezzanine-Partner zu beteiligen, scheidet dabei regelmäßig aufgrund der aus Sicht der Entwickler überzogenen Verzinsungsansprüche und den damit einhergehenden sinkenden Gewinnmargen für die Entwickler aus.

Ist also die anstehende Branchenkonsolidierung nur eine Fata Morgana? Für die nahe Zukunft sieht vieles danach aus. Und mit Blick auf die aus fehlender Neubautätigkeit zu erwartende Knappheit an modernen Produkten könnte diese Strategie für Entwickler in Schwierigkeiten sogar aufgehen. Ein mangelndes Angebot spricht für eine Seitwärtsbewegung oder gar noch weitere Steigerungen bei den Preisen. Die aller Voraussicht nach weiterhin stark steigenden Mieten werden sicherlich ihren Teil dazu beitragen und aktuell nicht wirtschaftlich sinnvoll darstellbare Projekte selbst bei relativ hohen Grundstückeinständen schon bald wieder rentabel machen.

Dr. Henrik Medla

Dr. Henrik Medla
Geschäftsführender Gesellschafter der 
Sontowski & Partner GmbH