Wie der Strukturwandel das Geschäft von Projektentwicklern und die Marktsituation verändert

Ein Beitrag von Dr. Tilman Engel, Geschäftsführer der Sontowski & Partner Group

Nach über einer Dekade des Wachstums sieht sich die Immobilienwirtschaft vor immense Herausforderungen gestellt, die unser Geschäft der Projektentwicklung grundlegend beeinflussen. Die Gemengelage aus den Folgen des Ukraine-Kriegs mit der Energie-Krise und den gestiegenen Baukosten sowie den zunehmenden ESG-Regularien als Reaktion auf den Klimawandel sorgt insbesondere für eine deutliche Verteuerung von Immobilien. Hinzu wirken die historisch rasant gestiegenen Zinsen, die die Investoren verunsichert und den Transaktionsmarkt nahezu zum Erliegen gebracht haben. Ungeachtet dieser Tatsache bleibt die Nachfrage nach modernen Gewerbeimmobilien bestehen und der Bedarf an Wohnraum ist hoch.

Auswirkungen von Inflation und Zinsanstieg

Die Immobilienbranche weist durch den notwendig hohen Kapitaleinsatz oftmals einen hohen Anteil an Fremdfinanzierungen auf. Das gilt sowohl für private als auch für gewerbliche Investoren. Aufgrund der Inflation, die durch die Lieferkettenproblematiken in Coronazeiten sowie die Energiekrise im Zuge des Ukrainekriegs entstanden ist, wurden von den Zentralbanken die Zinsen massiv erhöht – ein historisch einmaliger Anstieg von 4%-Punkten innerhalb von 12 Monaten. Die Zinssätze liegen nun oberhalb der Immobilienrenditen. In Folge stehen insbesondere Wohninvestments aktuell besonders stark unter Druck, deren Renditen traditionell deutlich unter denen gewerblicher Investitionen liegen. Die Transaktionsmärkte sind hier nahezu zum Stillstand gekommen und der Neubau im Wohnsektor ist stark zurückgegangen. Im gewerblichen Bereich finden nur zögerlich Transaktionen statt.

Eine Steigerung der Renditen ist nur über höhere Mieten und/oder niedrigere Immobilienpreise zu erzielen. Auch wenn die Baupreise aktuell durch eine mittlerweile wieder entspannte Lieferkettensituation und durch die Krise frei werdende Baukapazitäten sinken, belasten die ESG-Anforderungen und der Zinseffekt jedoch weiterhin die Projektentwickler-Kalkulationen. Diese gegenläufigen Effekte stabilisieren die Immobilienpreise im Neubau auf einem hohen Niveau.

ESG-Anforderungen wirken weiter kostensteigernd

Von Investorenseite sind ESG-Standards wie ein Sieb, durch das Altimmobilien fallen und dadurch entwertet werden. Wie sich das Gros der Altimmobilien rentabel saniert und ESG-konform gemacht werden kann, ist die aktuell große Frage. In der Folge haben wir einerseits vergleichsweise teure Neubauten mit hohem ESG-Standard, die aufgrund ihrer Nachhaltigkeit, ihrem geringen Betriebskosten-Niveau und ihrer Attraktivität bei ESG-verpflichteten Investoren gefragt sind. Auf der anderen Seite steht die große Masse des günstigen Altbestands, für den es immer weniger Nachfrage gibt, da er den neuen Anforderungen nicht gerecht wird. Die sogenannten “stranded assets”. Die energetische Sanierung des Altbestands ist zwar oftmals möglich, stellt Projektentwickler immer wieder vor die Frage der Wirtschaftlichkeit. Sanierung realisieren wir als Projektentwickler daher aktuell hauptsächlich im Service Development für Investoren, die ihren Bestand energetisch aufwerten und nachhaltig ertüchtigen wollen, um den Werterhalt zu sichern.

Moderne Bürostandorte fordern qualitativ hochwertige nachhaltige Lösungen

Im gewerblichen Bereich wird die Entwicklung hin zu modernen Immobilien mit hohem Nachhaltigkeitsstandard von den Mietern mitgetragen. Aufgrund der Homeoffice-Lösungen und der starken Zunahme an hybriden Arbeitsmodellen haben sich die Anforderungen an Bürostandorte gewandelt. Die Attraktivität von Arbeitsumgebungen hat stark an Bedeutung gewonnen. Der Firmenarbeitsplatz konkurriert hier mit dem heimischen Büro. Unternehmen wollen ihren Mitarbeitern daher ein attraktives zeitgemäßes Umfeld bieten. New Work-Konzepte mit modernen Flächen, Kollaborationsmöglichkeiten und hoher Flexibilität sind gefragt. Und auch das Thema Nachhaltigkeit spielt für viele Unternehmen eine große Rolle. Aus der unternehmerischen Perspektive ist das Thema über die Regulatorik präsent, zudem will man die Nebenkostenentwicklung langfristig überschaubar halten. Und nicht zuletzt signalisiert man mit einem nachhaltigen Firmensitz Zukunftsfähigkeit.

Ob Altbau oder Neubau: Wohnen verteuert sich wesentlich

Bei Wohnimmobilien stellt sich die Situation etwas unübersichtlicher dar. Die Bonität des Nutzers bzw. die Leistbarkeit bleibt auch hier ein wichtiger Faktor. Für einen Großteil der Bevölkerung werden modernes, nachhaltiges Wohnen und die damit einhergehenden hohen Mieten kaum leistbar sein. Große Bestandshalter im wohnwirtschaftlichen Bereich äußern, dass nur Bruchteile der Kosten auf die Mieter umgelegt werden können und entsprechend die Sanierungskosten zu Lasten der ohnehin niedrigen Unternehmens-Rentabilität gehen. Dies kollidiert jedoch mit der aktuellen und anhaltenden Zinssituation und wird viele fremdfinanzierte Wohn-Bestandshalter in massive Schwierigkeiten bringen.

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und einer starken öffentlichen Hand wird sich der staatlich geförderte Wohnungsbau als interessantes Segment für Entwickler wie Investoren behaupten. Das setzt jedoch voraus, dass der Staat mehr oder weniger dauerhaft bereit ist, die von ihm geforderte Wohnungsqualität für immer breitere Bevölkerungsanteile zu subventionieren.

Fazit: Der Markt teilt sich

Was bedeuten diese Entwicklungen? Die Zeiten, in denen Immobilien in den Metropolen nahezu beiläufig Wertsteigerungen verzeichneten, sind vorbei. Der Markt teilt sich zunehmend, denn die Schere zwischen hochwertigen nachhaltigen Objekten mit dynamischen Mieten und vergleichsweise niedrigen Nebenkosten und Immobilien, die den Anforderungen von Staat und Mietern nicht mehr genügen, öffnet sich. Auch mit Blick auf den Mietermarkt ist diese Entwicklung problematisch. Nicht alle Unternehmen werden in der Lage sein, dynamische Preisentwicklungen mitzugehen. Bei den Privathaushalten werden sich viele modernes, nachhaltiges Wohnen nicht leisten können. Gleichzeitig hat sich durch die gestiegenen Energiekosten auch das Wohnen im Bestand deutlich verteuert. Für Entwickler wie Investoren bedeutet das: Der Wettbewerb um bonitätsstarke Mieter, die das durch Zinsen und Regulierung getragene höhere Preisniveau schultern können, wird sich intensivieren, wenn von staatlicher Seite nicht stärker subventionierend eingegriffen wird. Gleiches gilt für die große Masse des zu sanierenden Altbestands, über den sich ein großer Hebel mit Blick auf die CO2 Reduktion bieten würde. Revitalisierung muss sich für Projektentwickler und Investoren lohnen, damit der sanierte Altbestand mit dem Neubau konkurrieren kann und nicht durch das Nachhaltigkeitsraster fällt.

Portrait Engel Tilman

Dr. Tilman Engel
Geschäftsführer der 
Sontowski & Partner GmbH