„Eigenkapital ist der zentrale Schlüssel, um Projekte zu realisieren“

Dr. Tilman Engel und Finzanzierungsexpertin Doris Hertel im Gespräch über die neue Finanzierungsrealität, den Wandel im Projektgeschäft und die Zukunft tragfähiger Partnerschaften.

Die Immobilienwelt ist im Wandel. Was hat sich für Sie als Projektentwickler am deutlichsten verändert?

Doris Hertel: Am stärksten spürbar ist sicherlich die Veränderung im Finanzierungsumfeld. Der abrupte Zinsanstieg hat ein Marktgefüge beendet, das über viele Jahre hinweg sehr verlässlich funktionierte – mit niedrigen Finanzierungskosten, hoher Liquidität und großer Nachfrage. Heute stehen wir an einem Punkt, an dem Projekte anders gedacht, geplant und strukturiert werden müssen.

Tilman Engel: …und wo Kapitalverfügbarkeit nicht mehr selbstverständlich ist. Früher ließ sich projektbezogen mit relativ schlanker Eigenkapitalbasis, gut abgestimmtem Mezzanine und hohem Fremdkapitalanteil sehr viel bewegen. Der Mezzanine-Markt hat sich vollkommen zurückgenommen. Wir haben unsere Mezzanine-Partnern stets gut bedient und uns so Reputation aufgebaut; das stützt aktuell sehr. Dennoch ist auch bei bewährten Mezzanine Partnern Zurückhaltung spürbar, weil auch ihr Geld häufig in anderen Projekten gebunden ist. Jetzt ist Eigenkapital der zentrale Schlüssel, um Projekte überhaupt zu realisieren. Das verändert nicht nur die Struktur – sondern auch die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren.

Was bedeutet das konkret im Rückblick auf die vergangenen 10 Jahre – was war damals anders?

Tilman Engel: Die letzten Jahre waren von einer außergewöhnlichen Marktdynamik geprägt. Grundstückspreise sind gestiegen, die Margen bei Bauunternehmen haben sich teilweise verdoppelt, auch die Anforderungen von Gemeinden – in Bezug auf Infrastruktur oder gestalterische Qualität – wurden immer umfangreicher und schließlich waren die staatlich enorm steigenden Vorgaben zu Energiestandards und Schallschutz kostentreibend. Die Branche konnte dies alles so leisten, weil das Umfeld mit sehr günstigen Finanzierungskosten und hohen Verkaufspreisen sowie Förderungen kompensierend wirkte.

Doris Hertel: Wir hatten über Jahre eine enorme Wertschöpfung – für viele Beteiligte. Was dabei aber häufig unterschätzt wurde: Die Finanzierungsseite kam zunehmend unter Druck. Banken mussten mit immer geringeren Margen arbeiten, Mezzanine-Geber nahmen wachsende Risiken bei sinkender Rendite in Kauf. Diese Ungleichverteilung war auf Dauer nicht gesund. Der Markt reagiert jetzt – mit einer Rückverlagerung der Verantwortung, auch hin zum Eigenkapital.

Wie erleben Sie die Situation auf der Finanzierungsseite insgesamt – gerade im Umgang mit Banken?

Tilman Engel: Die Anforderungen sind definitiv gestiegen. Banken – vor allem überregionale Geschäftsbanken – entscheiden heute sehr KPI-gesteuert, oft ohne individuellen oder „unternehmerischen“ Blick auf das Projekt. Das erschwert manche Gespräche.

Doris Hertel: Aber wir erleben auch sehr positive Beispiele. Die Zusammenarbeit mit den regionalen Finanzierungspartnern, wie Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken hat für uns eine besondere Qualität – partnerschaftlich, lösungsorientiert und mit einem sehr guten Verständnis für regionale Märkte. Natürlich steigen auch hier die Anforderungen an die Eigenmittel, das ist der Markt. Aber der Dialog ist konstruktiv – und das macht einen großen Unterschied.

Tilman Engel: Die Zusammenarbeit mit diesen Banken ist für uns zentral. Projektentwicklung funktioniert nicht ohne starke Finanzpartner – und Sparkassen und Genossenschaftsbanken nehmen hier eine wichtige Rolle ein, die wir sehr zu schätzen wissen.

Welche Bedeutung hat Mezzanine-Kapital heute noch – und wie sehen Sie dessen Entwicklung?

Doris Hertel: Wir haben Mezzanine immer als ein sehr gezieltes Instrument verstanden – kein Automatismus, sondern eine Komponente für Projekte mit hoher Planungs- und Kostensicherheit. Unser erster eigener Mezzanine-Fonds stammt aus dem Jahr 2004, gemeinsam mit Family Offices, mit einem klaren Fokus auf fortgeschrittene Projekte. Aber spätestens in der Niedrigzinsphase wurde Mezzanine zu einem überhitzten Markt. Viele Investoren kamen aus dem Anlagedruck heraus – nicht aus Überzeugung. In der Folge stiegen die Risiken, viele Projekte wurden zu optimistisch gerechnet und Investoren haben im Zuge der Marktkonsolidierung 2023/2024 Geld verloren. Das hat dem Markt zugesetzt. Heute sehen wir, dass klassische Mezzanine-Strukturen nur noch sehr selektiv funktionieren – und dass Eigenkapital zunehmend diese Lücke füllen muss.

Welche Rolle spielen neue Wege der Kapitalbeschaffung – etwa über Crowdinvesting?

Tilman Engel: Crowdinvesting ist inzwischen ein fester Bestandteil in der Finanzierungslandschaft – insbesondere, wenn es darum geht, Mezzanine-Komponenten flexibel und effizient zu strukturieren. Wir haben diesen Bereich mit der Gründung von zinsbaustein.de, die gerade mit WIWIN fusioniert sind, vor fast zehn Jahren früh mitgestaltet. Die Idee war, privaten und semi-institutionellen Anlegern über eine digitale Plattform Zugang zu ausgewählten Immobilienprojekten zu ermöglichen – und gleichzeitig ein verlässliches Finanzierungsinstrument für Projektentwickler zu schaffen.

Doris Hertel: Gerade vor dem Hintergrund gestiegener Eigenkapitalanforderungen ist das ein wertvolles Ergänzungselement. 

Was bedeutet der Wandel für Eigenkapitalgeber – zum Beispiel für Family Offices?

Doris Hertel: Eigenkapital ist nicht mehr nur Mittel zum Zweck. Es ist heute Gestaltungskraft. Gerade für Family Offices mit langfristigem Fokus und Immobilienverständnis ist das ein sehr interessantes Umfeld. Die Einstiegspreise sind wieder realistischer, die Märkte sortieren sich, und es gibt die Möglichkeit, sehr früh Einfluss zu nehmen – auch in Strukturfragen. Das ist eine völlig andere Qualität der Beteiligung als in der reinen Mezzanine-Logik.

Und wie schätzen Sie die Perspektive für solche Partnerschaften in den nächsten Jahren ein?

Doris Hertel: Angesichts der aktuellen Finanzierungslage stehen wir vor herausfordernden Rahmenbedingungen. Gleichzeitig glauben wir, dass sich das nächste Kapitel der Projektentwicklung durch eine stärkere Fokussierung auf Qualität, Struktur und belastbare Partnerschaften auszeichnen wird. Der Wettbewerb konsolidiert sich, die Anforderungen steigen – und gerade darin liegt Potenzial für Akteure mit langfristiger Perspektive und konsequenter Umsetzungsstärke.

Tilman Engel: Für Investoren mit unternehmerischer Haltung bieten sich jetzt sehr gute Chancen. Wer bereit ist, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen – mit Eigenkapital, mit Erfahrung und mit Vertrauen – kann nicht nur Projekte ermöglichen, sondern auch einen echten Beitrag zur Stadtentwicklung leisten und schlussendlich auch gut mitverdienen.